[Rezension] Marie C. Becker „Fremde Scherben“

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Bücher sich unter dem Radar tummeln. Dieses Buch hätte ich ohne die Leiga Buchmesse nicht entdeckt. Was unglaublich schade gewesen wäre. Auch dieses Buch hat mir wieder gezeigt, was ich bei den großen Autoren schmerzlich vermisse. Marie C. Becker hat sich getraut, Charaktere zu schreiben, die nicht einmal im Ansatz der Norm entsprechen, aber dennoch erstaunlich real sind. Ich habe in meinen fast sechs Jahren, in denen ich meine gelesenen Bücher mit der Welt teile, noch nie eine so lange Liste an Triggern gesehen wie bei diesem Buch. Ihr seid gewarnt.

Fangen wir mit Richard an, welcher in dieser Geschichte die Hauptrolle spielt. Wie schon im Klappentext angedeutet, kämpft er noch heute gegen die Dämonen aus der Vergangenheit. Die Postkarte, die irgendwann ihren Weg zu ihm findet, reißt alte Wunden wieder vollständig auf. Da helfen ihm selbst immense Mengen Kaffee und Zigaretten nicht mehr. Die Schatten aus vergangener Zeit kriechen nun auch bildlich umher und versuchen, Richard ins Verderben zu stürzen. Zum Glück muss er diese psychische Folter nicht alleine durchstehen. Neben seiner neuen „Familie“ stehen ihm auch andere Charaktere zur Seite. Dummerweise haben auch diese mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen.

Die Welt, in der die Charaktere leben, ist ein grausamer Ort voller Gewalt und Lügen. Dies macht sich in regelmäßigen Abständen ohne Rücksicht auf Verluste bemerkbar. Als hätte es vor allem Richard nicht schon schwer genug. Die Szenen im Buch erinnerten mich irgendwie an die Filme Shutter Island und der Maschinist. (Kennt die jemand von euch?) Zwei unglaublich tolle Filme. Neben dem ganz persönlichen Horror, den die Charaktere umgibt, erfahren wir sehr viel über sie und wie sie zu dem geworden sind, was sie heute sind. Trotz aller Gewalt und verstörenden Details konnte ich nicht aufhören zu lesen. Vor allem bei den Szenen mit dem Doktor lief es mir kalt, den Rücken HINAUF. Der Schreibstil war ein Traum. Egal, ob ruhige, teilweise zärtliche Momente oder Abschnitte, bei denen mir das Herz in die Hose gerutscht ist, die Art, wie die Autorin diese in Szene gesetzt hat, war der Wahnsinn.

Zwischen den Kapiteln finden sich immer mal wieder Zeichnungen der Charaktere oder Schlüsselszenen, die unglaublich gut aussehen. Das Cover hat mir ebenfalls ausgezeichnet gefallen und passt perfekt zum Inhalt.

Von Anfang bis Ende war nie komplett klar, in welcher Gegenwart sich Richard wirklich befindet. Im einen Moment stirbt eine Person auf brutale Art und Weise, im nächsten Moment lebt sie wieder. War das nur eine Wahnvorstellung, ein Traum? Oder ist die Szene danach nur eine Wunschvorstellung von einer heilen Welt, die gleich wieder in Scherben liegt? Scherben sind ein gutes Stichwort. Jedes Ereignis, egal ob vergangen oder noch in der Zukunft, ist Teil eines großen Ganzen, welches am Ende aufgelöst wird. Dieser Abschluss war, wie man im Volksmund sagt, Mindblowing. Möchte an dieser Stelle erwähnen, dass „Fremde Scherben“ das erste Buch der Autorin ist. Lasst das mal auf euch wirken. 😉


Verlagtredition
AutorinMarie C. Becker
Erscheinungsjahr2023
GenreDark Urban-Fantasy
Seiten540
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Marie C. Becker, geboren 1996 in Weimar, verlor sich schon in der Grundschule in Fantasiewelten. Durch ihr Medizinstudium und ihre Tätigkeit als Ärztin im psychotherapeutischen Bereich entwickelte sie ein Interesse an Geschichten mit dem Fokus auf psychischen Erkrankungen. Neben dem Schreiben verbringt sie ihre Zeit am liebsten mit ihren Freund:innen bei Pen-and-Paper-Rollenspielen und nächtlichen Spaziergängen. Sie hat eine Vorliebe für das Obskure, Übernatürliche und Düstere, solange es von etwas Licht begleitet wird.


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